weitere Bezeichnungen: Liquidität 1. Grades, Liquidität 1, Barliquidität, cash ratio (engl.)
Vertiefende Informationen zum Verständnis der Bilanzanalyse mit Hilfe von Bilanzkennziffern finden Sie unter 20.1 Grundlagen der Bilanzanalyse: Anteilsquoten - Multiple Choice.
Allgemein versteht man unter der Liquidität die Möglichkeit, jederzeit den Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können bzw. jederzeit zahlungsfähig zu sein (liquid sein = flüssig sein = über Zahlungsmittel verfügen). Zur Messung der Liquidität aus der Bilanz gibt es folgende Bilanzkennziffern:
Der Liquiditätsgrad 1 zeigt die relative Deckung des kurzfristigen Fremdkapitals der Passiva durch flüssige Mittel aus dem Vermögen der Aktiva. Flüssige Mittel sind Bargeld, Schecks, Bankguthaben und sonstige schnell in Liquidität umwandelbare Wertpapiere (z. B. Aktien). Als kurzfristige Verbindlichkeiten werden in der Regel alle Darlehen mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr und Verbindlichkeiten verstanden.
Berechnet wird der Liquiditätsgrad 1 mit folgender Formel:
Liquiditätsgrad 1 = | flüssige Mittel · 100 |
kurzfristiges Fremdkapital |
Aussagekraft: Durch den Liquiditätsgrad 1 wird die Barliquidität ermittelt, d. h. wie viel kurzfristige Schulden mit den in der Bilanz ausgewiesenen Bargeld, Schecks und Bankguthaben bedient werden können. Liegt der ermittelte Liquiditätsgrad bei 100 %, so ist die Deckung genau gegeben, d. h. jede fällige kurzfristige Kreditschuld kann umgehend mit liquiden Mitteln bedient werden. Liegt dagegen der Liquiditätsgrad unterhalb der 100 %, so ist dies nicht möglich. Vielmehr sind zur Bedienung der kurzfristigen Schulden termingerechte Zahlungseingänge von Forderungen, Kreditaufnahmen bei der Bank usw. nötig. Ist eine kurzfristige Liquiditätsgewinnung nicht möglich, können bei einem Liquiditätsgrad unterhalb der 100 % Liquiditätsschwierigkeiten entstehen.
Aus dem Gesagten wird deutlich, dass ein höherer Liquiditätsgrad 1 die sichere Bedienung der kurzfristigen Schulden bedeutet. Jedoch sollte auch klar sein, dass ein hoher Liquiditätsgrad 1 für den Unternehmer mit Kosten verbunden ist. Flüssige Mittel erwirtschaften aus sich heraus keinen (z. B. Geld in der Kasse) oder geringen Ertrag (Geld auf dem Bankkonto bei geringem Zinssatz).
Daraus ergibt sich folgende Regel:
Ein hoher Liquiditätsgrad 1 geht grundsätzlich zu Lasten der Rentabilität.
In der Praxis liegt aus den oben beschriebenen Gründen der Liquiditätsgrad selten oberhalb der 100 %. Gemäß der so genannten One-to-five-Rate ist sogar ein Liquiditätsgrad 1 von 20 % ausreichend (vgl.: Waltermann/Speth: Rechnungswesen Bürokaufmann/Bürokauffrau, 22. Auflage 2012, Rinteln, S. 400 oder de.wikipedia.org/wiki/Liquiditätsgrad). Das insbesondere auch deshalb, weil man heutzutage leicht Liquiditätsengpässe ausgleichen kann (z. B. durch einen Überziehungskredit bei der Bank).
Die Aussagekraft des Liquiditätsgrades 1 und auch weiterer Liquiditätsgrade bezüglich der Messung der Liquidität ist jedoch aus drei Gründen eingeschränkt:
Für eine gute Liquiditätsanalyse würde man noch weitere interne Daten benötigen. Hierzu gehören zum Beispiel anstehende und geplante Ausgaben des Folgejahres, die Fälligkeiten der kurzfristigen Verbindlichkeiten sowie der Forderungen, Verpflichtungen aus den Dauerschuldverhältnissen (z. B. Mietverpflichtungen) usw.
Externe Bilanzanalysten haben jedoch keinen Zugriff auf diese wichtigen internen Daten und müssen sich daher mit den unzureichenden Liquiditätskennziffern begnügen.
Der Liquiditätsgrad 2 zeigt die relative Deckung des kurzfristigen Fremdkapitals der Passiva durch flüssige Mittel und Forderungen der Aktiva.
Berechnet wird er mit folgender Formel:
Liquiditätsgrad 2 = | (flüssige Mittel + Forderungen) · 100 |
kurzfristiges Fremdkapital |
Aussagekraft: Beim Liquiditätsgrad 2 werden die Forderungen neben den liquiden Mitteln zur Deckung der kurzfristigen Verbindlichkeiten herangezogen. Anders als die flüssigen Mittel können Forderungen auch unsicher sein. Insbesondere dann, wenn die Zahlungsfähigkeit eines Kunden nicht sicher ist.
Liegt der Liquiditätsgrad 2 unterhalb der 100 %, so können die kurzfristigen Schulden nicht durch liquide Mittel und ausstehende Forderungen gedeckt werden. Hier kann ein Liquiditätsengpass entstehen, der z. B. durch Kredite, dem Verkauf von Umlaufvermögen (z. B. Vorräte) oder Anlagevermögen (z. B. aus dem Fuhrpark) ausgeglichen werden muss.
In der Praxis geht man davon aus, dass der Liquiditätsgrad 2 mindestens bei 100 % liegen muss, auch wenn dies risikoreich ist, da jederzeit Forderungen ausfallen können.
Um eventuelle Forderungsausfälle zu kompensieren, ist ein Liquiditätsgrad 2 von etwas über 100 % sinnvoller.
Der Liquiditätsgrad 3 zeigt die relative Deckung des kurzfristigen Fremdkapitals der Passiva durch flüssige Mittel, Forderungen und der Vorräte der Aktiva.
Berechnet wird er mit folgender Formel:
Liquiditätsgrad 3 = | (flüssige Mittel + Forderungen + Vorräte) · 100 |
kurzfristiges Fremdkapital |
Aussagekraft: Der Liquiditätsgrad 3 zieht im Gegensatz zum Liquiditätsgrad 2 zusätzlich die Vorräte zur Deckung der kurzfristigen Verbindlichkeiten heran.
Liegt der Liquiditätsgrad unterhalb der 100 %, so kann das gesamte Umlaufvermögen die kurzfristigen Verbindlichkeiten nicht decken, d. h. im Falle eines Liquiditätsengpasses müsste Anlagevermögen verkauft werden. Dadurch wäre die Betriebsbereitschaft des Unternehmens ernsthaft gefährdet. Schon der Verkauf der Vorräte aus dem Umlaufvermögen könnte den Produktionsablauf stören.
Aus diesen Gründen sollte der Liquiditätsgrad 3 weit über 100 % liegen, damit sichergestellt ist, dass nicht auf das Vorratsvermögen und auch nicht auf das Anlagevermögen der Betriebsbereitschaft zurückgegriffen werden muss.
Erfahrungswerte aus der Praxis empfehlen einen Liquiditätsgrad 3 von mindestens 200 % (vgl. Hermsen, J.: Rechnungswesen für Bürokaufleute, 12. Auflage, Braunschweig, S. 409). Diese Empfehlung wird in der Literatur auch als Two-to-One-Rule bzw. Banker´s rule bezeichnet.
Viel Erfolg beim Üben.